Text: Nicoline Haas | Fotos: Hanna Romanowsky & Gaia Games
Wichtig waren dir auch tolle Illustrationen. Wieso keine Fotos?
Micha: Fotos wären mir zu lehrbuchmäßig rübergekommen. Über eine Concept-Art-Plattform konnte ich ein Dutzend Künstler:innen aus Europa und den USA für das Projekt gewinnen, und so wurde wirklich jedes der über 60 Naturmotive exklusiv und mit viel Liebe für „Ecogon“ gemalt. Fast fotorealistisch wirken die Insekten von Peter Lin.
Die Spielmarker bestehen aus getrockneten Bohnen, könnte man die auch einpflanzen?
Micha: Klar, oder in den Eintopf tun. Wir wollen Naturschutz nicht nur spielerisch vermitteln, sondern auch vorleben. Deshalb verzichten wir auf Plastik; Karton und Papier sind FSC-zertifiziert oder recycelt und klimaneutral mit mineralölfreien Farben bedruckt.
Inzwischen besteht das Kernteam aus Micha Reimer, Nils Giering und Kevin Luhn. Gemeinsame Spielwiese und zugleich Zentrale und Lager von Gaiagames ist eine alte Villa in Könnern bei Bernburg, Villa Kunterbunt genannt. Das sogenannte Wächterhaus funktioniert so: Die Gemeinschaft kümmert sich um das Gebäude und zahlt dafür keine Miete. Nils wohnt auch dort, wird aber vielleicht mal in ein lehmverputztes Strohballenhaus ziehen – in diesem spannenden Handwerk hat er sich selbstständig gemacht. Micha ist 2022 mit seiner kleinen Familie ins Wendland gezogen, Kevin lebt in einem selbst gegründeten Hausprojekt in Leipzig.
Ihr versteht euch nicht als Firma, sondern als Kollektiv, was heißt das?
Micha: Dass es keinen Chef gibt. Entscheidungen treffen wir gleichberechtigt, und alle unterstützen sich gegenseitig.
Kevin: Es gibt Aufgabenschwerpunkte, zum Beispiel kümmert sich Micha ums Grafikdesign und Nils um die Buchhaltung. Micha und ich denken uns bisher die Spiele aus, Nils bringt sich in der Entwicklungs- und Testphase stark ein. Er ist ein wandelndes Spielelexikon und ein super Systemanalytiker und Taktiker.
„Kevin ist ein Mensch, der glitzert“, steht auf eurer Website, das macht neugierig.
Micha: Gemeint ist sein ansteckender Enthusiasmus. Der war mir schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen, auf einer „Und-jetzt?-Konferenz“: Kevin hatte dort gekocht, kam in einer Pause an meinen „Ecogon“-Stand und spielte direkt einige Runden mit
Kevin: Nebenbei schwinge ich immer noch den Kochlöffel auf Konferenzen und Festivals, aber mein Hauptjob ist die Erlebnispädagogik.
Studiert hast du allerdings Biologie.
Kevin: Jep, und danach war klar, dass ich nicht ins Labor gehöre. Lieber wollte ich Kids und Jugendlichen die Natur nahebringen. Wir klettern oder bauen Flöße, und natürlich spielen wir viel: Du kannst damit Sozialkompetenz fördern, Vertrauen stärken, Gruppendynamiken leiten … Das Potenzial ist groß und Pluspunkt die Motivation: Beiläufig kommt beim Spielen etwas Sinnvolles herum, ein Lerneffekt oder eine Message.
„Schützt die Meere!“ heißt die Begleitbotschaft seines Debütspiels für Gaiagames: „Fish ‘n‘ Flips“ ist ein raffiniertes Kartenspiel, das planerisches Denken erfordert. Hier lautet die Mission, Tiere aus einem Fischernetz zu befreien, die dort nicht reingehören: Schweinswale, Schildkröten oder auch Quallen sind typischer Beifang. Auch Fremdkörper wie Plastikmüll landen im Netz und erhöhen den Schwierigkeitsgrad.
Ein herausragendes Merkmal eurer Spiele ist, dass sie sich sowohl im Wettstreit als auch kooperativ spielen lassen. Welche Variante ist beliebter bei euren Fans?
Kevin: Die Teamvariante! Dabei haben alle Spaß, ohne konkurrieren zu müssen. Alle ziehen an einem Strang und kämpfen für ein gemeinsames Ziel. Das ist wie bei Greenpeace oder Fridays for Future – Weltretten geht halt nur zusammen.
Micha: Kooperative Spiele sind gerade stark im Kommen, auch bei großen Verlagen. Sie erreichen auch Leute, die sonst nicht so gern spielen.
Brettspiele im Allgemeinen erleben wieder einen Aufwärtstrend, wie erklärt ihr euch das?
Micha: Hm, ein Punkt ist, dass sie im Vergleich zu Computergames keine fertigen Welten präsentieren, sondern die eigene Fantasie anregen. Auch das haptische Erlebnis spielt eine Rolle.
Kevin: Ich finde am besten, dass dabei alle zusammen am Tisch sitzen!
Das Spielekollektiv bringt nicht nur Leute an einen Tisch, sondern sorgt auch für freudige Überraschungen im Briefkasten: Die fünfteilige Postkartengeschichte begleitet „Vulpi“, den Fuchs, und bei den Postkartenspielen geht es unter anderem ums Klima („Volle Scholle“): Pinguine retten sich über schmelzende Eisschollen ans Ufer.
Das Spielekollektiv Gaiagames entwickelt raffinierte Brettspiele mit Lerneffekt und grüner Botschaft. Fast alle lassen sich kooperativ spielen: Wie im echten Leben werden kniffelige Aufgaben am besten im Team gelöst – und Siege gemeinsam gefeiert. Micha Reimer und Kevin Luhn geben Einblicke in ihr Tun.
Die Blaumeise findet einen Platz am Waldrand. Wie steht es um das Nahrungsangebot? Sie fängt eine Kreuzspinne, und die Schlehe hält Früchte bereit. Fehlt noch eine Baumhöhle zum Brüten – gut, dass eine urige Eiche in der Nähe steht. An den Eicheln labt sich das Wildschwein, über dessen Hinterlassenschaften sich die Schmeißfliege hermacht … Bei dem Spiel „Ecogon“ gilt es, anhand von Lebensraum-, Pflanzen- und Tierkarten ein stabiles Ökosystem zu bauen und möglichst viele Tiere zu etablieren. Je anspruchsvoller eine Art ist, umso mehr Punkte erzielt sie. Die Karten sind wabenförmig, daher die Wortkreation aus Ecology und Hexagon, Sechseck. Autor des Legespiels ist Micha Reimer und „Ecogon“ sein Erstling.
Was hat dich auf die Idee gebracht, Micha?
Micha: Im Sommer 2012, da studierte ich noch Naturschutz- und Landschaftsplanung in Bernburg (Saale), war ich mit Kommilitonen auf Exkursion in den französischen Alpen. In jeder freien Minute spielten wir „Magic, the Gathering“. Irgendwann fragte ich mich: Warum bewegen wir uns eigentlich so viel in Fantasiewelten mit Zauberern und Co., während um uns herum die fantastischten Kreaturen unterwegs sind, vom Gänsegeier bis zur Gottesanbeterin? Die Natur vor unserer Haustür hat doch genauso das Zeug für ein spannendes Spiel, dachte ich, und mein Ehrgeiz war geweckt.
Nach seiner Rückkehr tüftelte er an der Spielmechanik und bastelte erste Prototypen. Die stellte er später auf diversen Events vor und startete ein Crowdfunding – beides mit Erfolg: Enstanden ist ein Gesamtkunstwerk aus über 60 Naturminiaturen. Und gründete daraufhin 2015 den Verlag Gaiagames (nach der Erdgöttin Gaia aus der griechischen Mythologie).
Überzeugender Umweltaspekt ist auch der minimale Materialeinsatz: Spielfeld und Anleitung passen auf eine Karte, als Figuren kann man zum Beispiel Knöpfe nehmen, und einen Würfel hat sicher auch jede:r im Haus. Die Spielideen stammen von Kevin und Ronald Hild. Abgekoppelt von Gaiagames, entwickelten beide unlängst das Kartenspiel „Avichrom“ („Vogelfarben“), das der Biologe und DJ Dominik Eulberg 2022 parallel zu seinem gleichnamigen Album herausbrachte.
Wie war die Zusammenarbeit?
Kevin: Lustig! Wir hoffen, mit Dominik bald ein deutlich komplexeres, vielseitiges Vogelspiel by Gaiagames auf die Beine zu stellen. Erste Treffen gab es schon. Er bringt ornithologisches Wissen ein, und natürlich hilft uns auch seine Reichweite.
Micha: Vorab bringen wir aber noch ein Spiel raus, das die Biene feiert: „Summsalabim“ ist für Kleinkinder gedacht. Ich verrate nur so viel: Eine Biene sucht nach der richtigen Blüte, und die anderen weisen ihr den Weg – durch Summen.
Die Kraft der Gefühle: Das wachsende „Ecogon“-Ökosystem veranschaulicht sehr schön das Beziehungsgeflecht in der Natur. Jedes Lebewesen erfüllt eine Funktion. Doch wehe, eins wird wieder entfernt! Durch Ereigniskarten kommt plötzlich ein Insektengift ins Spiel, oder ein wichtiger Baum wird gefällt – und Tiere, die man mühsam etabliert hatte, verlieren nun ihre Punkte.
Das tut echt weh, obwohl es doch nur ein Spiel ist!
Micha: Sorry! Aber auch gut, denn das Gefühl prägt sich ein. Mehr als beispielsweise eine Meldung zum Insektenrückgang. Durch Emotionen, positive wie negative, bleibt das Erlernte leichter hängen. Das bestätigen auch Hirnforscher. Wir wollen mit Gaiagames Spaß und Umweltbildung verbinden, bestenfalls zum Handeln anregen.
Wichtig waren dir auch tolle Illustrationen. Wieso keine Fotos?
Micha: Fotos wären mir zu lehrbuchmäßig rübergekommen. Über eine Concept-Art-Plattform konnte ich ein Dutzend Künstler:innen aus Europa und den USA für das Projekt gewinnen, und so wurde wirklich jedes der über 60 Naturmotive exklusiv und mit viel Liebe für „Ecogon“ gemalt. Fast fotorealistisch wirken die Insekten von Peter Lin.
Die Spielmarker bestehen aus getrockneten Bohnen, könnte man die auch einpflanzen?
Micha: Klar, oder in den Eintopf tun. Wir wollen Naturschutz nicht nur spielerisch vermitteln, sondern auch vorleben. Deshalb verzichten wir auf Plastik; Karton und Papier sind FSC-zertifiziert oder recycelt und klimaneutral mit mineralölfreien Farben bedruckt.
Inzwischen besteht das Kernteam aus Micha Reimer, Nils Giering und Kevin Luhn. Gemeinsame Spielwiese und zugleich Zentrale und Lager von Gaiagames ist eine alte Villa in Könnern bei Bernburg, Villa Kunterbunt genannt. Das sogenannte Wächterhaus funktioniert so: Die Gemeinschaft kümmert sich um das Gebäude und zahlt dafür keine Miete. Nils wohnt auch dort, wird aber vielleicht mal in ein lehmverputztes Strohballenhaus ziehen – in diesem spannenden Handwerk hat er sich selbstständig gemacht. Micha ist 2022 mit seiner kleinen Familie ins Wendland gezogen, Kevin lebt in einem selbst gegründeten Hausprojekt in Leipzig.
Ihr versteht euch nicht als Firma, sondern als Kollektiv, was heißt das?
Micha: Dass es keinen Chef gibt. Entscheidungen treffen wir gleichberechtigt, und alle unterstützen sich gegenseitig.
Kevin: Es gibt Aufgabenschwerpunkte, zum Beispiel kümmert sich Micha ums Grafikdesign und Nils um die Buchhaltung. Micha und ich denken uns bisher die Spiele aus, Nils bringt sich in der Entwicklungs- und Testphase stark ein. Er ist ein wandelndes Spielelexikon und ein super Systemanalytiker und Taktiker.
„Kevin ist ein Mensch, der glitzert“, steht auf eurer Website, das macht neugierig.
Micha: Gemeint ist sein ansteckender Enthusiasmus. Der war mir schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen, auf einer „Und-jetzt?-Konferenz“: Kevin hatte dort gekocht, kam in einer Pause an meinen „Ecogon“-Stand und spielte direkt einige Runden mit
Kevin: Nebenbei schwinge ich immer noch den Kochlöffel auf Konferenzen und Festivals, aber mein Hauptjob ist die Erlebnispädagogik.
Studiert hast du allerdings Biologie.
Kevin: Jep, und danach war klar, dass ich nicht ins Labor gehöre. Lieber wollte ich Kids und Jugendlichen die Natur nahebringen. Wir klettern oder bauen Flöße, und natürlich spielen wir viel: Du kannst damit Sozialkompetenz fördern, Vertrauen stärken, Gruppendynamiken leiten … Das Potenzial ist groß und Pluspunkt die Motivation: Beiläufig kommt beim Spielen etwas Sinnvolles herum, ein Lerneffekt oder eine Message.
„Schützt die Meere!“ heißt die Begleitbotschaft seines Debütspiels für Gaiagames: „Fish ‘n‘ Flips“ ist ein raffiniertes Kartenspiel, das planerisches Denken erfordert. Hier lautet die Mission, Tiere aus einem Fischernetz zu befreien, die dort nicht reingehören: Schweinswale, Schildkröten oder auch Quallen sind typischer Beifang. Auch Fremdkörper wie Plastikmüll landen im Netz und erhöhen den Schwierigkeitsgrad.
Ein herausragendes Merkmal eurer Spiele ist, dass sie sich sowohl im Wettstreit als auch kooperativ spielen lassen. Welche Variante ist beliebter bei euren Fans?
Kevin: Die Teamvariante! Dabei haben alle Spaß, ohne konkurrieren zu müssen. Alle ziehen an einem Strang und kämpfen für ein gemeinsames Ziel. Das ist wie bei Greenpeace oder Fridays for Future – Weltretten geht halt nur zusammen.
Micha: Kooperative Spiele sind gerade stark im Kommen, auch bei großen Verlagen. Sie erreichen auch Leute, die sonst nicht so gern spielen.
Brettspiele im Allgemeinen erleben wieder einen Aufwärtstrend, wie erklärt ihr euch das?
Micha: Hm, ein Punkt ist, dass sie im Vergleich zu Computergames keine fertigen Welten präsentieren, sondern die eigene Fantasie anregen. Auch das haptische Erlebnis spielt eine Rolle.
Kevin: Ich finde am besten, dass dabei alle zusammen am Tisch sitzen!
Das Spielekollektiv bringt nicht nur Leute an einen Tisch, sondern sorgt auch für freudige Überraschungen im Briefkasten: Die fünfteilige Postkartengeschichte begleitet „Vulpi“, den Fuchs, und bei den Postkartenspielen geht es unter anderem ums Klima („Volle Scholle“): Pinguine retten sich über schmelzende Eisschollen ans Ufer.
Überzeugender Umweltaspekt ist auch der minimale Materialeinsatz: Spielfeld und Anleitung passen auf eine Karte, als Figuren kann man zum Beispiel Knöpfe nehmen, und einen Würfel hat sicher auch jede:r im Haus. Die Spielideen stammen von Kevin und Ronald Hild. Abgekoppelt von Gaiagames, entwickelten beide unlängst das Kartenspiel „Avichrom“ („Vogelfarben“), das der Biologe und DJ Dominik Eulberg 2022 parallel zu seinem gleichnamigen Album herausbrachte.
Wie war die Zusammenarbeit?
Kevin: Lustig! Wir hoffen, mit Dominik bald ein deutlich komplexeres, vielseitiges Vogelspiel by Gaiagames auf die Beine zu stellen. Erste Treffen gab es schon. Er bringt ornithologisches Wissen ein, und natürlich hilft uns auch seine Reichweite.
Micha: Vorab bringen wir aber noch ein Spiel raus, das die Biene feiert: „Summsalabim“ ist für Kleinkinder gedacht. Ich verrate nur so viel: Eine Biene sucht nach der richtigen Blüte, und die anderen weisen ihr den Weg – durch Summen.
Die Kraft der Gefühle: Das wachsende „Ecogon“-Ökosystem veranschaulicht sehr schön das Beziehungsgeflecht in der Natur. Jedes Lebewesen erfüllt eine Funktion. Doch wehe, eins wird wieder entfernt! Durch Ereigniskarten kommt plötzlich ein Insektengift ins Spiel, oder ein wichtiger Baum wird gefällt – und Tiere, die man mühsam etabliert hatte, verlieren nun ihre Punkte.
Das tut echt weh, obwohl es doch nur ein Spiel ist!
Micha: Sorry! Aber auch gut, denn das Gefühl prägt sich ein. Mehr als beispielsweise eine Meldung zum Insektenrückgang. Durch Emotionen, positive wie negative, bleibt das Erlernte leichter hängen. Das bestätigen auch Hirnforscher. Wir wollen mit Gaiagames Spaß und Umweltbildung verbinden, bestenfalls zum Handeln anregen.
Wichtig waren dir auch tolle Illustrationen. Wieso keine Fotos?
Micha: Fotos wären mir zu lehrbuchmäßig rübergekommen. Über eine Concept-Art-Plattform konnte ich ein Dutzend Künstler:innen aus Europa und den USA für das Projekt gewinnen, und so wurde wirklich jedes der über 60 Naturmotive exklusiv und mit viel Liebe für „Ecogon“ gemalt. Fast fotorealistisch wirken die Insekten von Peter Lin.
Die Spielmarker bestehen aus getrockneten Bohnen, könnte man die auch einpflanzen?
Micha: Klar, oder in den Eintopf tun. Wir wollen Naturschutz nicht nur spielerisch vermitteln, sondern auch vorleben. Deshalb verzichten wir auf Plastik; Karton und Papier sind FSC-zertifiziert oder recycelt und klimaneutral mit mineralölfreien Farben bedruckt.
Inzwischen besteht das Kernteam aus Micha Reimer, Nils Giering und Kevin Luhn. Gemeinsame Spielwiese und zugleich Zentrale und Lager von Gaiagames ist eine alte Villa in Könnern bei Bernburg, Villa Kunterbunt genannt. Das sogenannte Wächterhaus funktioniert so: Die Gemeinschaft kümmert sich um das Gebäude und zahlt dafür keine Miete. Nils wohnt auch dort, wird aber vielleicht mal in ein lehmverputztes Strohballenhaus ziehen – in diesem spannenden Handwerk hat er sich selbstständig gemacht. Micha ist 2022 mit seiner kleinen Familie ins Wendland gezogen, Kevin lebt in einem selbst gegründeten Hausprojekt in Leipzig.
Ihr versteht euch nicht als Firma, sondern als Kollektiv, was heißt das?
Micha: Dass es keinen Chef gibt. Entscheidungen treffen wir gleichberechtigt, und alle unterstützen sich gegenseitig.
Kevin: Es gibt Aufgabenschwerpunkte, zum Beispiel kümmert sich Micha ums Grafikdesign und Nils um die Buchhaltung. Micha und ich denken uns bisher die Spiele aus, Nils bringt sich in der Entwicklungs- und Testphase stark ein. Er ist ein wandelndes Spielelexikon und ein super Systemanalytiker und Taktiker.
„Kevin ist ein Mensch, der glitzert“, steht auf eurer Website, das macht neugierig.
Micha: Gemeint ist sein ansteckender Enthusiasmus. Der war mir schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen, auf einer „Und-jetzt?-Konferenz“: Kevin hatte dort gekocht, kam in einer Pause an meinen „Ecogon“-Stand und spielte direkt einige Runden mit
Kevin: Nebenbei schwinge ich immer noch den Kochlöffel auf Konferenzen und Festivals, aber mein Hauptjob ist die Erlebnispädagogik.
Studiert hast du allerdings Biologie.
Kevin: Jep, und danach war klar, dass ich nicht ins Labor gehöre. Lieber wollte ich Kids und Jugendlichen die Natur nahebringen. Wir klettern oder bauen Flöße, und natürlich spielen wir viel: Du kannst damit Sozialkompetenz fördern, Vertrauen stärken, Gruppendynamiken leiten … Das Potenzial ist groß und Pluspunkt die Motivation: Beiläufig kommt beim Spielen etwas Sinnvolles herum, ein Lerneffekt oder eine Message.
„Schützt die Meere!“ heißt die Begleitbotschaft seines Debütspiels für Gaiagames: „Fish ‘n‘ Flips“ ist ein raffiniertes Kartenspiel, das planerisches Denken erfordert. Hier lautet die Mission, Tiere aus einem Fischernetz zu befreien, die dort nicht reingehören: Schweinswale, Schildkröten oder auch Quallen sind typischer Beifang. Auch Fremdkörper wie Plastikmüll landen im Netz und erhöhen den Schwierigkeitsgrad.
Ein herausragendes Merkmal eurer Spiele ist, dass sie sich sowohl im Wettstreit als auch kooperativ spielen lassen. Welche Variante ist beliebter bei euren Fans?
Kevin: Die Teamvariante! Dabei haben alle Spaß, ohne konkurrieren zu müssen. Alle ziehen an einem Strang und kämpfen für ein gemeinsames Ziel. Das ist wie bei Greenpeace oder Fridays for Future – Weltretten geht halt nur zusammen.
Micha: Kooperative Spiele sind gerade stark im Kommen, auch bei großen Verlagen. Sie erreichen auch Leute, die sonst nicht so gern spielen.
Brettspiele im Allgemeinen erleben wieder einen Aufwärtstrend, wie erklärt ihr euch das?
Micha: Hm, ein Punkt ist, dass sie im Vergleich zu Computergames keine fertigen Welten präsentieren, sondern die eigene Fantasie anregen. Auch das haptische Erlebnis spielt eine Rolle.
Kevin: Ich finde am besten, dass dabei alle zusammen am Tisch sitzen!
Das Spielekollektiv bringt nicht nur Leute an einen Tisch, sondern sorgt auch für freudige Überraschungen im Briefkasten: Die fünfteilige Postkartengeschichte begleitet „Vulpi“, den Fuchs, und bei den Postkartenspielen geht es unter anderem ums Klima („Volle Scholle“): Pinguine retten sich über schmelzende Eisschollen ans Ufer.
Text: Nicoline Haas | Fotos: Hanna Romanowsky